T&N
Firmenentwicklung nach dem 2. Weltkrieg
Einen großzügigen Ausbau ihrer nach dem zweiten Weltkrieg aus Schutt und Asche wiedererstandenen Werke betreibt die TELEFONBAU UND NORMALZEIT GMBH, die mit der Firma Telefonbau und Normalzeit Lehner & Co., die von jener erstellte Anlagen vermietet, eine wirtschaftliche Einheit bildet. Ihre beiden Frankfurter Werke in der Mainzer Landstraße und in der Kleyerstraße waren bis auf die ausgebrannten Baukörper völlig zerstört worden. Lediglich der erst in den Kriegsjahren aufgebaute Betrieb in Urberach war so gut wie unbeschädigt aus den Kampfhandlungen hervorgegangen. Man erwog daher 1945 sehr ernsthaft, ob es nicht klüger sei, sich auf den weiteren Ausbau dieses neuen Werkes zu beschränken und Frankfurt als Produktionsstätte ganz aufzugeben. Was damals noch als Ausweichbetrieb in der Stadt in den unterirdischen Kellergewölben eines Gebäudes am Hainerweg ein kümmerliches Dasein fristete, war in der Tat nicht dazu angetan, große Hoffnungen zu wecken. Schließlich entschloß sich die Geschäftsleitung doch, an dem Sitz des Unternehmens in Frankfurt festzuhalten, und hat diese mutige Entscheidung nicht zu bereuen gehabt; im Gegenteil, heute ist sie sehr froh darüber, denn der Entschluß hat Folgen gebracht, die in jener trüben Zeit niemand in seine kühnsten Träumen erhoffen konnte.
Es geht weiter...
Überall hatten die Kriegsereignisse die Fernsprechanlagen und die sonstigen schwachstromtechnischen Melde-Einrichtungen schwer mitgenommen. Da das Frankfurter Unternehmen die von ihm erstellten Anlagen zu einem erheblichen Teil nur vermietet, waren seine Kunden ohne seine Hilfe nicht in der Lage, die unterbrochenen Verbindungen wiederaufzunehmen. Die wichtigsten Konkurrenzunternehmen fielen zunächst aus, weil sie in Berlin ansässig waren und nach dem deutschen Westen nur sehr begrenzt liefern konnten. In mühsamer Kleinarbeit mit unzulänglichem Material und unter größten Schwierigkeiten haben die Männer von T & N in den ersten Nachkriegsjahren die Einrichtungen der Kundschaft wieder betriebsfähig gemacht oder durch neue Anlagen ersetzt, wenn die ursprünglichen zu sehr zerstört waren. Die Post beschränkte sich naturgemäß auf die Wiederherstellung der Hauptanschlüsse. Die Nebenstellenanlagen des Fernsprechverkehrs waren jedoch für den Wiederaufbau der Wirtschaft nicht minder wichtig. Nichts bestätigt daher die Leistung des Frankfurter Unternehmens besser als die Tatsache, daß es seinen Mitarbeitern gelang, bis zum Tage der Währungsreform in den drei westlichen Besatzungszonen annähernd den gleichen Miet- und Wartungsbestand wieder zu erreichen, wie er in diesem Gebiet bei Ausbruch des Krieges vorhanden gewesen war. Welch große Anstrengungen und wieviel Kunst der Improvisation dazu gehörten, um diesen entscheidenden Beitrag zur Wiederherstellung des öffentlichen Fernsprechnetzes zustande zu bringen, vermag heute niemand mehr richtig zu ermessen. Daß die gesamte Wirtschaft und darüber hinaus das allgemeine Wohl davon großen Nutzen hatten, steht ebenso außer Zweifel, auch wenn von der Bewältigung dieser anscheinend "selbstverständlichen" Aufgabe kein großes Aufheben gemacht wurde.
Der eigene Wiederaufbau mußte darum zurückgestellt werden. Bis zur Währungsreform konnte lediglich auf dem Gelände in der Kleyerstraße eine große Halle notdürftig hergestellt und in ihr die auf dem Hainerweg geretteten Maschinen neu aufgestellt werden. So war es möglich, mit dem schlechten Material der Kriegszeit einen bescheidenen Fabrikationsbetrieb in Frankfurt erneut anlaufen zu lassen. In den Ruinen des Geländes an der Mainzer Landstraße erhielten die kaufmännischen und technischen Büros Notunterkünfte. Trotzdem betrug der Umsatz des Jahres 1948 bereits rund 75% des Jahres 1936 und die Belegschaft übertraf mit 1877 Mitarbeitern am Ende des Jahres 1948 die von 1938 um über 100 Köpfe. Der Vertrieb mußte bis dahin fast völlig neu aufgebaut werden. In den deutschen Ostgebieten gingen zwei Verwaltungsbezirke völlig und neun Zehntel des früheren Bezirkes Berlin verloren. Nur in Hamburg und Stuttgart waren die Betriebsstätten erhalten geblieben, an allen übrigen Orten herrschte große Raumnot. Mühsam mußte allenthalben der erhaltene Anlagenbestand erfaßt und instand gesetzt werden. Der in Westdeutschland dem Unternehmen verbliebene Bestand an Miet- und Wartungsanlagen machte nur knapp ein Drittel des bei Kriegsbeginn im ganzen Reichsgebiet besessenen aus. Angesichts solcher Verluste war es nur allzu verständlich, daß die Geschäftsleitung mit gewissen Bedenken an den Wiederaufbau der zerstörten Frankfurter Werke heranging.
Die technische Entwicklung wurde sofort nach dem Zusammenbruch wieder in Angriff genommen. Im Zeitpunkt der Währungsreform hatte T & N die später von anderer Seite immer wieder als umwälzende Neuheit angekündigte Kreuzschienenwähler-Technik bereits fabrikationsreif ausgearbeitet, nahm aber von ihrer Einführung Abstand, weil genaue Untersuchungen ergaben, daß dadurch die Fabrikationsselbstkosten wesentlich erhöht würden und obendrein eine Umschulung des technischen Personals erforderlich gewesen wäre. Dafür verbesserte man lieber die Dreh- und Viereckwähler und schuf ein neues Relais. Die mittleren Universalzentralen wurden fortan in geräuschdämmenden Standwandgehäusen mit niedrigen Montagekosten und geringer Raumbeanspruchung gebaut. Bei den Großanlagen brachte die Rekord-Zentrale eine grundlegende Verbesserung, die sich allen Typen der Konkurrenz überlegen erwies. So führten die Arbeiten auf dem Gebiet des Wählerbaues zu wesentlichen Fortschritten.
Das Unternehmen war allen Ansprüchen der Kundschaft gewachsen, als nach der Währungsreform sehr bald eine lebhafte Nachfrage einsetzte. Bereits im Jahre 1949 übertraf der Umsatz der Fabrik den des letzten Vorkriegsjahres 1938. Im Jahre 1950 nahm dann die Bundespost im Einvernehmen mit der Privatindustrie eine Überarbeitung der Regel- und Zusatzausstattung der verschiedenen Anlagetypen und Baustufen vor, um sie an die in der Zwischenzeit eingetretene technische Entwicklung anzupassen. Diese neuen Vorschriften führten im Verein mit dem einsetzenden Konjunkturaufschwung und der Marshallplanhilfe zu einem beträchtlichen Anwachsen der Aufträge und Umsätze. Zugleich kam 1950 auch das Exportgeschäft wieder zu einem Umfang, der den des Jahres 1938 bereits überstieg. Die Jahre 1951 und 1952 hielten sich umsatzmäßig auf der Höhe von 1950. Die Hochkonjunktur ließ dann seit 1953 Jahr für Jahr den Auftragsbestand und den Umsatz weiter beträchtlich anwachsen, so daß unter Ausschaltung der Preissteigerungen im Jahre 1955 fast das Zweieinhalbfache, genau 242% des Vorkriegsumsatzes erreicht wurden. Entsprechend stieg die Zahl der Mitarbeiter auf über 3500 an und betrug damit Ende 1955 etwa das Doppelte des Jahre 1938. Schritt für Schritt konnten in diesen Jahren die beiden Frankfurter Werke von grundauf völlig neuaufgebaut werden. 1950 war bereits die gleiche Nutzfläche wie im Jahre 1938 vorhanden. Seitdem wurden die Werksanlagen so ausgedehnt, daß im Jahre 1955 eine etwa 5o% größere Fläche zur Verfügung stand. Es war also nicht möglich, sie im gleichen Tempo wie die Umsätze und Mitarbeiterschaft zu vermehren. Weitere Neubauten müssen daher noch aufgeführt werden, um die beengten räumlichen Verhältnisse der Fabrikation dem nunmehr erreichten Geschäftsumfang und dessen voraussehbarer Weiterentwicklung anzupassen.
In viel stärkerem Maße wurde die Vertriebsorganisation ausgebaut. Mit Hilfe einer wesentlich vermehrten Werbung gelang es ihr, den Bestand an vermieteten Nebenstellenanlagen so zu vermehren, daß er Ende 1955 in der Bundesrepublik und West-Berlin die gleiche Anzahl erreicht hatte, die das Unternehmen bei Kriegsausbruch im ganzen Reichsgebiet verwaltete. Selbstverständlich mußte der Revisionsdienst entsprechend vergrößert und durch Motorisierung den modernen Anforderungen angepaßt werden. Die Firma Telefonbau und Normalzeit Lehner & Co., die die Mietanlagen verwaltet, verlor im Oktober 1949 durch Enteignung ihre Betriebsstätten und Anlagen in der sowjetischen Besatzungszone. Dafür konnte sie in Westdeutschland das Netz ihrer Organisation wesentlich verstärken und die Zahl ihrer Verwaltungsbezirke um sechs auf insgesamt fünfzehn erhöhen. In Hannover, Dortmund, Köln, Stuttgart, Frankfurt und Essen mußten Neubauten für diese Dienststellen errichtet werden. Die Zahl der im Kundendienst Beschäftigten, die 1945 auf 1500 zusammengeschmolzen war, hat sich inzwischen mehr als verdoppelt und damit den Vorkriegsstand erheblich überschritten.
Das Vermietungsgeschäft ist seiner Natur nach kapitalintensiv. Allein seit der Währungsreform hat das Unternehmen darin das Doppelte seines Eigenkapitals investiert. Das war natürlich zusammen mit dem Wiederaufbau der beiden Frankfurter Werke nicht aus eigenen Mitteln allein zu finanzieren. Immerhin konnte mehr als die Hälfte aller Aufwendungen für Neubauten, Maschinen, Werkzeuge und Anlagen aus Abschreibungen aufgebracht werden. Der Rest mußte durch lang- und mittelfristige Kredite gedeckt werden. Durch die laufenden Mieteinnahmen und künftigen Abschreibungen ist diese Neuverschuldung vollauf gesichert. Viel schwerer als der Zinsendienst lastete auf beiden Unternehmen die hohe Besteuerung der Nachkriegsjahre, insbesondere mit der bei dem Vermietungsgeschäft besonders drückenden Vermögensabgabe auf Grund des Lastenausgleichsgesetzes.
Das Geschäft mit der Post entwickelte sich nach dem Zusammenbruch ebenfalls erfolgversprechend. Nachdem das Unternehmen dafür ein eigenes System für automatische Fernsprechämter entwickelt hatte, kamen nach der Währungsreform auch größere Abschlüsse zustande, die sich von Jahr zu Jahr immer erfreulicher steigerten. Bereits 1950 wurde das Versuchsamt Bensheim begonnen, das im Mai 1951 der Deutschen Bundespost betriebsfertig übergeben werden konnte. Eine Vielzahl anderer Ämter folgte. Im März 1954 konnte als erstes größeres Amt Baden-Baden mit 3000 Anschlußstellen eingeschaltet werden. Ihm schloß sich im Mai 1955 Konstanz an, das noch etwas größer ausgelegt wurde. Auch an dem Wiederaufbau des Frankfurter Fernsprechnetzes war T & N durch die Erstellung eines Teilamtes in Rödelheim nicht unerheblich beteiligt. Einen nicht unwesentlichen Beitrag leistete ferner seine Montageabteilung, die seit dem Zusammenbruch der Post beim Wiederaufbau ihrer Amtseinrichtungen stets zur Verfügung stand. Diese günstige Entwicklung läßt auch für die Zukunft erhoffen, daß das Unternehmen im Amtsbau für die Deutsche Bundespost maßgeblich beteiligt wird. In diesem Zusammenhang müssen schließlich die Nebenstellenanlagen erwähnt werden, die T & N nach den geltenden Postvorschriften in allen Größen herstellt. Eine hinsichtlich Umfang und Leistung bemerkenswerte Anlage dieser Art ist z.B. die große Universalzentrale mit Durchwahl im Bundespostministerium in Bonn. Überhaupt hat das Unternehmen mit besonderem Nachdruck an dem technischen Fortschritt des Deutschen Fernmeldewesens mitgearbeitet und so in langen Jahren eine enge Verbindung zur Bundespost erreicht.
Das Exportgeschäft mußte völlig neu aufgebaut werden. Nachdem die allgemeinen formalen Schwierigkeiten dafür ausgeräumt waren, hatte T & N dank des technischen Vorsprungs aber bald den Anschluß an das internationale Niveau wieder hergestellt, und nun begann ein Aufstieg von unerwarteten Ausmaßen. Rasch dehnte sich das Geschäft über das zuerst bearbeitete Europa hinaus nach Übersee und dem Orient aus. Gegen schärfste Konkurrenz erhielt das Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen große Regierungsaufträge und begann mit dem Bau seiner ersten Fernsprechämter. Die Qualität seiner Arbeit brachte ihm einen guten Ruf und eine feste Stellung im internationalen Geschäft ein. Der Exportanteil an seinen Umsätzen stieg auf das Zehnfache der letzten Jahre vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges.
Solche Erfolge wagte niemand zu erhoffen, als das Unternehmen im Jahre 1949 in der eben notdürftig instand gesetzten Fabrikationshalle A im Werk Kleyerstraße in einer schlichten Feier sein 5ojähriges Bestehen beging. Daran konnten zusammen mit einer Reihe früherer Mitarbeiter auch die Nachkommen der Gründerfamilie Fuld teilnehmen. Ihre Rückkehr in die Verwaltung des Unternehmens wurde in den folgenden Jahren auf dem Wege freundschaftlicher Verständigung erreicht. Damit wurde schweres Unrecht wiedergutgemacht, das die nationalsozialistische Gewaltherrschaft ihnen angetan hatte. Nur mit knapper Not war es damals gelungen, die angestrebte Verstaatlichung der Werke zu verhindern und sie als Privatunternehmen zu erhalten.
Neben dem traditionellen Geschäft auf fernmeldetechnischem Gebiet hat die Telefonbau und Normalzeit GmbH in der Nachkriegszeit ihr Produktionsprogramm auch auf verwandten Arbeitsfeldern beträchtlich erweitern können. Die schon im Firmennamen, der in den dreißiger Jahren so gefaßt werden mußte, mitangeführte Herstellung elektrischer Uhrenanlagen wurde fortgesetzt und nach modernsten Ansprüchen ausgebaut. Ähnliches gilt von den Notruf- und Feuermelde-Anlagen, für die das Unternehmen eigene Systeme entwickelt hat sowie für die im Rahmen der Automatisierung für die Industrie wichtigen Fernsteuerungsanlagen. Hier liegen große Zukunftsaufgaben des Unternehmens. Ebenso hat sein Freistempler für Postsendungen, wie die wachsenden Umsätze zeigen, noch gute Entwicklungsmöglichkeiten.
Erwähnenswert ist ferner die gute Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbahn, für die T & N in großem Umfange Uhrenanlagen mit den dazugehörenden Nebenuhren auf Bahnhöfen und in Verwaltungsgebäuden lieferte. Auch auf dem Gebiet der Fernsteuerung elektrifizierter Bahnstrecken hat das Unternehmen durch seine Entwicklungen schöne Erfolge erzielt und für die Bundesbahn schon einige größere Anlagen in Betrieb nehmen können.
Ein völlig neues Aufgabengebiet erschloß sich für Telefonbau und Normalzeit mit dem Bau von Warenautomaten. Dank der Entwicklung eigener, den modernen Ansprüchen angepaßter Modelle ergab sich ein sehr flottes Geschäft, dem die Produktion zeitweilig kaum folgen konnte. So ist das Unternehmen auf vielen verschiedenartigen Gebieten erfolgreich tätig und von Jahr zu Jahr gewachsen.
Bei dieser großartigen Entwicklung wurden die Mitarbeiter nicht vergessen. Man ist bei der Telefonbau und Normalzeit GmbH mit vollem Recht besonders stolz auf die Vorkehrungen zur persönlichen Sicherheit jedes Einzelnen. Dadurch wurde erreicht, daß ihre Betriebe die geringste Unfallquote innerhalb der Branche im Bundesdurchschnitt aufweisen können. Ebenso ging man bei der Ausbildung der Lehrlinge, der gewerblichen wie der kaufmännischen, eigene Wege. Hauptgewicht wird auf eine gediegene Grundausbildung und umfassende Kenntnisse in den üblichen Prüfungsfächern gelegt, um einen möglichst vielseitig verwendbaren Nachwuchs zu erziehen. Die Spezialisierung baut sich erst darauf auf. Im übrigen hat das Unternehmen bei seinen freiwilligen sozialen Leistungen, die beispielsweise 1954 über 11% der Jahreslohnsumme entsprachen und die gesetzlichen Verpflichtungen erheblich überstiegen, bisher das Hauptgewicht auf eine leistungsfähige Altersversorgung gelegt. Daneben wurden die Werksküchen und die Hilfe bei der Beschaffung von Wohnungen jedes Jahr reich dotiert. Ferner erhielten die Mitarbeiter bei persönlichen Anlässen wie Jubiläen usw. Zuwendungen sowie alle gemeinsam eine ansehnliche Weihnachtsgratifikation. Seit 1954 zahlt ihnen das Unternehmen auch Leistungsprämien als Anerkennung für die individuellen Verdienste um den Wiederaufbau und die Steigerung der Umsätze. Diese zusätzlichen Lohnbeträge figurieren natürlich nicht unter den freiwilligen sozialen Leistungen, da sie ja eine Art Gewinnbeteiligung darstellen. Sie sind der Ausdruck dafür, daß die großen Zukunftsmöglichkeiten, die sich T & N erworben hatten, nur durch die gemeinsamen Anstrengungen von Geschäftsleitung und Mitarbeitern genutzt werden können.
Quelle: http://www.aufbau-ffm.de/doku/Archiv/normalzeit.html